Realschule Lorch erinnerte an das Geschehen
am 9. November 1938

Mit einer Installation in der Aula, Texten und Musik erinnerte die Realschule Lorch an die Geschehnisse der Nacht vom 9. November 1938, in der jüdische Synagogen, Geschäfte und auch Privathäuser von den Nazis verwüstet und auch total zerstört wurden.

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Im Unterricht wurde am Montag zeitgleich in allen Klassen altersgemäß über die Pogromnacht 1938 informiert. Dann wurden die Klassenzimmertüren geöffnet und das Lied „Donna Donna" ertönte in der Aula. Schüler zählten über die Lautsprecheranlage die Orte in Baden-Württemberg auf, in denen die Verwüstung in der Pogromnacht deutliche Spuren hinterlassen hatte; von den 213 Orten wurden die bekanntesten genannt.

Alle konnten in Ruhe und Konzentration die erklärenden, aufrüttelnden Worte von Eberhard Gäkle, der die Installation vorbereitet hatte, hören und ihnen folgen.

In der Aula lag ein roter Teppich aus Samt als Symbol: Grausamkeit und Unrecht dürfen nie und nimmer unter den Teppich gekehrt werden. Zehn mal sieben Pflastersteine standen für die 70 Jahre seit 1938, für die 10 Gebote und die „Sieben" als Zahl der Vollkommenheit für den Sabbat, der gerade im jüdischen Leben seinen festen Platz hat. Der große weiße Davidstern in der Mitte, religiöses Zeichen und gleichzeitig Glaubensbekenntnis des jüdischen Gläubigen ist vergleichbar mit dem Kreuz für die Christen. Pflastersteine hielten eine Glasplatte, auf der die Umrisse von Baden-Württemberg und die Orte der Zerstörung markiert waren,

mit Glassplittern übersät, um zu zeigen, dass der Ausdruck „Reichskristallnacht" - wie von den Nazis gerne verwandt - mehr bedeutet als nur das Zerschlagen von Fensterscheiben, wie dieser Ausdruck vortäuschen sollte. Weiße brennende Kerzen in T- Form standen für Tränen und Trauer, aber auch für die Täter, die oft viel zu spät oder gar nicht zur Rechenschaft gezogen wurden.

Noch einmal erklang das Lied „Donna Donna", diesmal in jüdischer Sprache. Wie die weiteren Gespräche zeigten, bewegte diese denkwürdige und nachhaltige Stunde die Köpfe und Herzen der Schüler: Toleranz, Eintreten für die Menschenwürde aller, mutig sein und sich trauen gegen Unrecht und alle Formen von Gewalt Einspruch zu erheben.

Dies war eine Lern-Stunde der besonderen Art, angestoßen durch die Fachschaft Religion, mit einem Ausblick und Nachklang in die vor uns liegende Adventszeit.

 

Erklärung der Installation in der Aula

 „Erinnerung an die Reichspogromnacht am 9.November 1938"

Ein roter Teppich liegt in der Aula. Wichtigen Gästen wurde schon im Mittelalter  ein Teppich vor die Füße gelegt, um ihnen zu zeigen, dass sie willkommen waren. Wer hinsieht, merkt: Der Teppich ist zerschnitten, die beiden Bahnen liegen nebeneinander. - Jüdische Menschen waren in Europa schon seit dem Mittelalter bis in unsere Zeit schrecklichen Verfolgungen und Pogromen (d.h. Ausschreitungen, Hetze) ausgesetzt.

Die Grausamkeiten und das Unrecht, das ihnen in der Zeit des Nationalsozialismus angetan wurde, dürfen wir nie und nimmer unter den Teppich kehren, nie und nimmer vergessen.


Wer hinsieht, merkt: Der Teppich ist aus rotem Samt. Samt tritt man nicht mit Füßen. In vielen Synagogen war der Toraschrein, d.h. der Schrank zur Aufbewahrung der Schriftrollen, mit einem kostbaren Vorhang verhängt. In dieser Tora stehen die Weisungen Gottes an die Menschen. So heißt es dort: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. ---

 In der Reichspogromnacht haben Nationalsozialisten die Torarollen auf die Straßen geworfen, sie mit Füßen getreten  und verbrannt. 


Wer hinsieht, merkt: 10 Pflastersteine in der Länge und 7 Steine in der Breite liegen am Rand des Tuches. Für mich heißt das: 7 mal 10, also 70 Jahre ist es her, seit in der Reichspogromnacht 1938 Nazis in fast allen Synagogen Deutschlands gewütet und verwüstet haben. Die Zahl 7 lässt mich an den Sabbat denken, der in der jüdischen Überlieferung als wunderbares Geschenk Gottes, als Ruhetag für uns Menschen, gepriesen wird. Die Zahl 10 erinnert mich an die Zehn Gebote, ohne die ein Zusammenleben der Menschen nicht denkbar ist.

Und - sie erinnert mich an die 10 Finger, die jeder Mensch normalerweise hat.  Doch die überwältigende Mehrheit der Augenzeugen  in der Reichspogromnacht machte nicht einmal einen Finger krumm, um den entsetzlichen Verbrechen an ihren jüdischen Mitbürgern Einhalt zu gebieten.

Schließlich denke ich bei der Zahl 10 auch an die 10 Männer, die mindestens anwesend sein müssen, dass ein jüdischer Gottesdienst gefeiert werden kann. 30 000 jüdische Männer wurden in der Reichspogromnacht verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Wie sollte ein Gottesdienst da noch möglich gewesen sein.


Anfangs lagen auf dem roten Tuch 2 gleichseitige Dreiecke. Nach und nach näherten sie sich einander an, schoben sich ineinander, sodass ein Davidsstern entstand. Der Davidsstern ist für jüdische Gläubige das, was das Kreuz für uns Christen ist: Mehr als ein religiöses Zeichen, eher ein bildhaftes Glaubensbekenntnis.  Zwei Dreiecke, die für Himmel und Erde, für Gott und die Menschen stehen: Wer es so sieht, kann glauben: Gott wendet sich den Menschen zu und die Menschen wollen in Verbindung mit Gott leben.


Seit Freitag liegt eine Glasplatte auf vier Pflastersteinen über dem Davidsstern.

Wer hinsieht, merkt:  In einem Umriss von Baden-Württemberg sind viele Städte und Dörfer markiert, in denen es vor 1938 jüdische Gemeinden mit Synagogen gab. Es sind nicht alle 213 Orte benannt. Nur ganz wenige Synagogen entgingen der Verwüstung oder Zerstörung durch die Nazis.

Wer hinsieht, weiß:  Die verzeichneten Orte in unserem Bundesland gibt es noch immer,

das jüdische Gemeindeleben wurde jedoch meist bis heute ausgelöscht.